Prolog
Das spärliche Licht des Mondes hüllte die Nacht in eine schaurige Atmosphäre und warf dunkle Schatten auf das Gesicht des Mannes. Oder war es eine Frau? Da lediglich die Konturen der dunklen Gestalt zu erkennen waren, war es in dieser Dunkelheit nicht möglich, mehr als das breite Kreuz, das schulterlange Haar und Andeutungen auf eher maskuline Gesichtszüge zu sehen. Es war weder eine Straßenlaterne, noch irgendeine andere mögliche Lichtquelle zu entdecken, darum schien es so, als seien die Straßen der Kleinstadt umhüllt von einem schwarz-grauen Mantel.
Keine Menschenseele trieb sich zu diesen späten Nachtstunden hier auf, denn hier war viel zu wenig los, als dass ein paar betrunkene IPs, die bis spät in die Nacht gefeiert hatten, durch die malerischen Wege irrten und die Gegend war viel zu verlassen, als dass hier ein paar drogenabhängige Obdachlose lauern konnten, denn die verschanzten ihre Zeit ja bekanntlich dort, wo sich mehrere Leute aufhielten, die sich dazu erbarmen könnten, ihnen ein wenig Geld zukommen zu lassen. Dafür gingen sie sogar das Risiko ein, entdeckt zu werden. Die Menschheit war so unglaublich gierig, so unfassbar egoistisch, dass von zwanzig Menschen lediglich einer sich dazu hinreißen ließ, auch nur ein paar Pfund den Heimatlosen zukommen zu lassen. Gehörten sie nicht alle der gleichen Spezies an? Konnte man sich etwa nicht einmal ein wenig auf seine Mitbürger verlassen? Es war eine Schande, wie erbittert manche Menschen um das Überleben kämpfen mussten, während andere geradezu in Geld badeten. Während die größten Probleme mancher waren, ob sie heute noch etwas zu Essen bekamen, ob sie eine Unterkunft für die Nacht fanden oder ob sie die abendliche Gefahr unentdeckt überstehen würden, waren die größten Probleme anderer, ob sie ihre Kinder rechtzeitig zu ihrem Geigeunterricht fahren konnten, oder ob ihnen auch ja kein Fingernagel abrach, der wahrscheinlich so eine große Summe an Geld gekostet hatte, als viele rastlose Jugendliche in ihrem ganzen Leben zu sehen bekamen.
Der Mann ballte die Hände zu Fäusten. Allein die Tatsache, daran zu denken, wie unfair das Leben doch war, machte ihn rasend. Er wünschte, er würde nicht in diesem Staat, nicht in dieser Zeit geboren sein, aber es brachte ja nichts. Er spürte, wie er begann, schwer zu atmen, wie er kurz davor war, einen frustrierten Schrei auszustoßen, oder auf irgendetwas einzuschlagen. Aber stattdessen fing er an, hysterisch zu lachen. Er würde sich rächen.
Ja, das würde er. Er würde sich rächen, an all denjenigen, die ihm das angetan hatten.
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Ehrliche Meinungen wären echt toll! ♥
Grüße, Lena